International Blog – Florian Heer
Der Tennissport sucht zunehmend nach neuen Märkten – und Afrika rückt dabei immer mehr in den Fokus. Mit der Rwanda Challenger in Kigali findet bereits zum zweiten Mal ein ATP Challenger-Turnier in Zentralafrika statt. Einer der Hauptverantwortlichen hinter diesem Projekt ist Arzel Mevellec, ein erfahrener Turnierdirektor aus Frankreich.
Im Interview spricht Mevellec über die Herausforderungen und Chancen, die mit der Organisation von Profi-Turnieren auf dem afrikanischen Kontinent einhergehen. Er erklärt, warum Ruanda eine besondere Rolle spielt, welche Vision er für eine „African Swing“ im Tennis hat und wie er gemeinsam mit lokalen Partnern nachhaltige Strukturen schaffen möchte.
Tennis TourTalk: Wir sind in Kigali zur zweiten Ausgabe der Rwanda Challenger. Wie läuft es diese Woche?
Arzel Mevellec: Nun, ich muss mich noch an die Bedingungen und die neue Umgebung anpassen. Jedes Mal, wenn wir hierherkommen, lernen wir dazu. Im Vergleich zum letzten Jahr haben wir enorme Fortschritte gemacht – damals hatten wir nur sechs Wochen, um alles aufzubauen. Dieses Mal hatten wir ein paar Monate mehr zur Vorbereitung. Ich bin wirklich zufrieden. Die Spieler scheinen ebenfalls glücklich mit den Gegebenheiten zu sein, alles läuft also ziemlich reibungslos. Wir sind erfolgreich.
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Wie kam es zur Idee, Challenger-Turniere in Zentralafrika zu organisieren?
Ich veranstalte ein Challenger-Turnier in Quimper, einer Stadt an der Westküste Frankreichs in der Bretagne. Einer meiner besten Freunde war bei den French Open in Roland Garros und traf dort einen Geschäftsmann aus Ruanda. Dieser fragte ihn, ob er jemanden kenne, der verrückt genug wäre, nach Kigali zu kommen und über die Organisation eines Profiturniers nachzudenken. Ich kontaktierte sofort die ATP, und der Direktor rief mich zwei Minuten später zurück, um mir zu sagen: „Wenn du dort hingehst, übernehmen wir das gesamte Preisgeld und du musst keine Gebühr für die Organisation zahlen.“
Die ATP hat in den letzten zwei Jahren über 500.000 US-Dollar investiert. Afrika ist für den Tennissport ein wichtiges Entwicklungsfeld. Seit 1990 gab es in der östlichen Sub-Sahara-Region keine Turniere mehr, während Nordafrika – insbesondere Länder wie Tunesien und Marokko – gut mit Europa verbunden ist und mehrere Turniere sowie viele Spieler hat. In Frankreich kann man Turniere unabhängig von den lokalen Vereinen organisieren. In Afrika muss man hingegen eng mit den Clubs zusammenarbeiten.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Organisation eines Turniers hier?
Ich denke, es ist vor allem eine kulturelle Frage. Wir wollen etwas in Kigali aufbauen, ähnlich wie in Quimper, wo sich das Turnier über die Jahre stetig entwickelt hat. Gleichzeitig möchten wir die lokale Bevölkerung einbeziehen, müssen aber auch alle Standards und ATP-Regeln einhalten.
Oft kämpfen wir mit Kleinigkeiten – zum Beispiel beim Essen. Für die Einheimischen sind bestimmte Dinge nicht so wichtig, aber für die Spieler müssen wir spezielle Anforderungen erfüllen. Manchmal ist es schwierig, genau das zu bekommen, was wir brauchen, oder wir müssen lange warten. Jeden Tag gehe ich ins Spielerrestaurant und erkläre, dass die Pasta nicht verkocht sein sollte – das ist in Europa eine Selbstverständlichkeit, aber hier muss man es erst lernen. Das Schöne ist, dass sie es lernen wollen, und das ist entscheidend.
Für die Spieler ist auch die Höhenlage von rund 1.500 Metern eine Herausforderung. Und natürlich ist es auch für mich eine Umstellung, wenn ich aus Quimper bei einer Temperatur von minus einem Grad hier ankomme und plötzlich 30 Grad Celsius vorfinde (lacht).
Viele Challenger-Turniere in Europa haben finanzielle Schwierigkeiten aufgrund fehlender Sponsoren. Wie funktioniert das Sponsoring hier?
Ja, es ist schwierig, in Europa öffentliche Sponsoren zu finden. In Frankreich haben wir das Glück, einen starken Verband zu haben, aber auch in Quimper kämpfen wir jedes Jahr darum, das Budget auf hohem Niveau zu halten.
Hier in Ruanda unterstützt das Sportministerium das Turnier finanziell – sie übernehmen mehr als die Hälfte des Budgets, was enorm ist. Sie wollen das Event fördern und das Land weltweit sichtbar machen. Die Tourismusorganisation „Visit Rwanda“ ist das beste Beispiel dafür.
In Zukunft wollen wir eine Kooperation zwischen Quimper und Kigali aufbauen. Für „Visit Rwanda“ ist es interessanter, in Quimper präsent zu sein, und umgekehrt könnten wir Bilder der Bretagne in Kigali zeigen. Zudem gibt es die Idee, Pakete für Tennisfans zu schnüren – sie könnten ein Turnierbesuch mit einer Reise durch Ruanda verbinden, zum Beispiel mit einer Safari.
Sie veranstalten auch Turniere in Brazzaville und bald an der Elfenbeinküste. Was sind die Unterschiede zwischen der Republik Kongo und Ruanda?
Die Bedingungen für die Spieler sind sehr unterschiedlich. In Brazzaville ist es heiß und extrem feucht. Es ist ein wunderbares Reiseziel, und die Organisatoren sind sehr motiviert, aber die Anreise ist teuer. Die Flugpreise sind hoch. Es gibt dort jedoch gute Akademien, die die Spieler aufnehmen, und der Tennisverband ist stark in das Turnier eingebunden.
Ruanda ist dennoch etwas Besonderes. Die Geschichte des Landes ist ein Symbol für Afrika. Ich bin Franzose und weiß, was mein Land in der Vergangenheit getan hat, worauf ich nicht stolz bin. Natürlich trage ich persönlich keine Verantwortung dafür, aber ich kann Verantwortung dafür übernehmen, hier etwas Neues zu schaffen.
Die Elfenbeinküste ist ebenfalls speziell, weil sie eng mit Frankreich verbunden ist. Ich war dort nur einen Tag, aber es fühlte sich sehr vertraut an. Ruanda hingegen ist eine völlig neue Welt für mich, was sehr gut für meinen Horizont ist. Natürlich muss ich auch Geld verdienen – das ist mein Geschäft. Aber es geht nicht nur darum.
Ich nutze die finanzielle Unterstützung der ATP für mein Einkommen, das bedeutet, dass ich in all diesen Ländern investiere, aber selbst kein Geld von ihnen nehme. Ich habe hier einen lokalen Partner, und mein Ziel ist es, dass er in den nächsten Jahren Turnierdirektor wird. Ich hoffe, dass ich dann nur noch als Besucher herkomme und sehe, wie sich das Turnier aus eigener Kraft weiterentwickelt.
In der Vergangenheit waren die Franzosen gut darin, anderen Ländern Ratschläge zu geben. Ich bin nicht so. Ich möchte lediglich meine Erfahrung mit den Menschen hier teilen, weil es in Afrika viele talentierte Leute gibt.
Können wir in den kommenden Jahren mit einer „African Swing“ rechnen?
Ich hoffe es! Das ist das Ziel. Ich möchte eine Turnierserie auf Sandplätzen in Ostafrika etablieren – sechs Wochen in Folge, nach den Australian Open. Länder wie Äthiopien, Tansania, Kenia, Ruanda und Uganda verfügen über Clubs mit guter Infrastruktur, und dort gibt es bereits ITF-Turniere.
An der Westküste Afrikas möchten wir hingegen eine Serie von Hartplatzturnieren aufbauen. Ich hoffe, dass das Brazzaville Challenger in Zukunft auf Hartplätzen ausgetragen wird. Zudem wäre es großartig, Turniere in Gabun, Togo, der Elfenbeinküste und Senegal während der europäischen Sandplatzsaison zu etablieren. Das ist die Vision.
Vielen Dank und viel Erfolg!