International Blog – Dietmar Kaspar im Gespräch mit Dirk Hordorff
Dirk Hordorff machte sich dem deutschen Tennispublikum erstmalig als Trainer von Alexander Radulescu bekannt, den er 1996 ins Wimbledon-Viertelfinale und anschließend auf Platz 51 der ATP-Weltrangliste coachte. 2003 führte er Rainer Schüttler in das Finale der Australian Open und zusätzlich unter die fünf besten Tennisspieler der Welt. Auch heute noch ist Hordorff als Coach auf der Tour aktiv. Neben seiner langjährigen Betreuung des Serben Janko Tipsarevic ist er auch für die sportlichen Belange von Vasek Pospisil aus Kanada und Ricardas Berankis aus Litauen zuständig.
Parallel zu seinem Job als Tour-Coach bekleidete er zahlreiche Funktionärs-Ämter im Hessischen Tennisverband. Nach seinem Amt als DTB-Sportwart im Jahre 1999, das er aufgrund ungeklärter Zuständigkeiten im sportlichen Bereich mit dem Präsidium nach rekordverdächtig kurzer Mandatszeit wieder zur Verfügung stellte, kandidierte er im Jahre 2005 für den Posten des DTB-Präsidenten. Kurz vor der Wahl zog er seine Kandidatur jedoch wieder zurück.
Im Jahre 2014 ließ sich Hordorff im Zuge der Neuwahlen um den amtierenden DTB-Präsidenten Ulrich Klaus für das Amt des DTB-Vizepräsidenten aufstellen und bekleidet seither dieses Amt für den Bereich Leistungssport und Ausbildung.
Dietmar Kaspar: Herr Hordorff, ab wann war für Sie klar, dass das System der neu geschaffenen ITF-World-Tennis-Tour mit zusätzlicher Rangliste und der fehlenden bzw. reduzierten Vergabe von ATP-Punkten bei den ITF M15- und M25-Turnieren nicht funktionieren wird?
Dirk Hordorff: Die ITF hat ja vor einigen Jahren eine große Umfrage mit 55.000 Leuten durchgeführt und ich habe diese Ergebnisse sorgfältig gelesen. Schon dabei ist mir aufgefallen, dass die Fragestellung nicht hochintelligent war. Es wurden auch nicht die Leute gefragt die kompetent sind, sondern Leute die keine Ahnung haben. Wenn sie z.B. ein 14-jähriges Kind fragen, ob es mehr Geld verdienen möchte, wird es diese Frage selbstverständlich mit Ja beantworten. Als das System vorgestellt wurde war mir klar, dass es nicht funktionieren kann und dessen Zielsetzung äußerst zweifelhaft war. Man war es als Verband gewohnt, dass man viele Leute motiviert, um Tennis zu spielen und das so gut wie möglich unterstützt, aber die Zielsetzung der Reform war es Tennisspieler abzuschaffen. Deshalb war ich von Anfang an gegen diese Reform.
Hätte aus Ihrer Sicht jeder sofort merken müssen, dass diese neue Transition-Tour nicht funktionieren kann?
Um zu erkennen, wie schlecht das neue System ist, musste man sich im Detail damit beschäftigen. Man braucht aber nicht studiert zu haben oder Einstein zu sein um zu sehen, dass es höchst ungerecht ist und nicht funktionieren kann.
Um es kurz zusammenzufassen: Bei diesem neuen System muss ein Spieler, um nach oben zu kommen, in 5 Monaten die gleiche Anzahl an Punkten erzielen wie andere Spieler in 10 oder 11 Monaten. Man könnte es vergleichen mit einem „Hamster in the wheel“, der sich immer bewegt und nicht vorwärts kommt. Hinzu kommt die Verkleinerung der Felder und die Demotivation der Turniere.
Das alles war nicht gut und hat somit nicht funktioniert, was mittlerweile glaube ich auch der letzte eingesehen hat. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir diese Reform wieder zurückgeführt haben.
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Wie beurteilen Sie die Einsichtigkeit der ITF bzgl. der Rückführung des Systems?
Respekt vor denen, die Ihre Fehler eingesehen haben die sie gemacht haben. Jeder kann im Leben Fehler machen, das schlimmste ist nur wenn man sie nicht einsieht und darauf beharrt. Die ITF hat vielleicht zu lange dafür gebraucht, aber sie hat dann zügig gehandelt um die Rückführung der Reform zu beschließen.
Hat die ITF Ihrer Meinung nach nur gehandelt weil der Druck seitens der Spieler via Online-Petitionen zu groß geworden ist, oder hat die ITF selbst reflektiert, dass die Zielsetzung der neuen ITF-Tour völlig falsch war?
Ohne Internet, Facebook, Twitter, etc. wären wir bestimmt nicht da wo wir heute sind. Wie die sozialen Medien die Welt verändert haben kann man beispielsweise daran erkennen, dass der amerikanische Präsident ohne Twitter wohl nicht zu seinem Amt gekommen wäre.
Im Falle der ITF-World-Tennis-Tour war es gut, dass diese neuen Medien hier genutzt werden konnten, um die notwendige Aufmerksamkeit zu erreichen und Informationen zu verbreiten. Diese wichtige Form der Community gab den Spielern auch das Gefühl, dass sie in der Sache nicht alleine sind. Ein solch konstanter Austausch an Argumenten und Mitteilungen wäre über die Printmedien nicht möglich gewesen.
Nichtsdestotrotz hatten auch viele andere Nationen von Anfang an das gleiche Gefühl, das wir in Deutschland hatten. Es gab Nationen wie z.B. Österreich und Polen, die sich auch offiziell geäußert haben und sehr viele Nationen, die sich inoffiziell geäußert haben. Als ich in Indian Wells mit ITF-Präsident David Haggerty zusammentraf um diese Thematik zu besprechen, hatte ich das Gefühl, dass er diese Problematik auch verstanden hat und dazu bereit war an einer besseren Tour mitzuarbeiten indem die Reform erst einmal wieder zurückgeführt wird.
Welche Hürden waren für die Rückführung der Reform zu überwinden?
Es ist halt immer schwierig, wenn man so eine Reform macht und viele dabei involviert sind, die dann versuchen zu verteidigen warum sie das so gemacht haben. Es wurde seitens der ITF bei der Reform von einem „Healthy Pathway“ gesprochen. Dieser Begriff mutet äußerst ironisch an wenn man bedenkt, dass mehrere Tausend von aufstrebenden Tennisspielern an der Ausübung ihres Sports gehindert werden und dabei von einem gesunden Weg gesprochen wird. Diese Umstrukturierung war nichts anderes als eine Niederschlagung von ambitionierten jungen Tennisspielern. Zum Glück wurde das in den entsprechenden Gremien erkannt und die Rückkehr zum alten System beschlossen.
Ist die Rückführung zum alten System das Allheilmittel, um den Unterbau des internationalen Tennis zukünftig in die richtigen Bahnen zu lenken?
Die Rückführung zum alten System ist nur der erste Schritt. Es geht jetzt darum nicht aufzuhören, sondern die Tour für die Zukunft besser zu machen. Es ist ja nicht so dass es bei der vorherigen Tour keine Probleme gab. Diese Probleme sind ja nach wie vor noch vorhanden und müssen ein Anreiz sein, dass alle gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Welche Probleme sprechen Sie hier konkret an?
Die Probleme sind ja nicht nur der ITF zuzuordnen, sondern es gibt auch zahlreiche Mängel, welche die ATP zu vertreten hat. Bei meiner Tätigkeit in der ATP als Vertretung der Lizenz für das Turnier in Hamburg habe ich mit mehreren anderen Board- und Council-Mitgliedern z.B. darauf aufmerksam gemacht, dass es keinen Grund dafür gibt, $15.000-Turnieren mit Hospitality die gleiche Anzahl an ATP-Punkten einzuräumen als ohne Hospitality. Die ATP sollte ja ein Hauptaugenmerk darauf haben, dass es den Spielern besser geht und sich das Tennis weiter nach oben entwickelt. Welchen Anreiz sollte ein Turnierveranstalter haben, zusätzliche Sponsoren zu suchen und den Spielern Unterkünfte zu bieten, wenn dies seitens der ATP in keinster Form zur Kenntnis genommen wird? Die Vergabe zusätzlicher ATP-Punkte für Hospitality ist zwingend erforderlich. So wie die ITF für die irrsinnige Zielsetzung der ITF-Transition-Tour zu kritisieren ist, fehlt es der ATP an Flexibilität, um die hausgemachten Probleme im Unterbau des Tennis schnell zu beseitigen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die finanzielle Situation der Spieler unterhalb der ATP-Tour zu verbessern?
Wir haben im Bereich der Ranglisten 500, 1000, etc. Existenzen, die ja nicht im geringsten ihre Kosten decken können wenn sie die Tour spielen. Das Preisgeld, das dort ausgeschüttet wird, ist einfach viel zu wenig.
Es gibt drei Gründe, warum zu wenig Geld bei den Spielern unterhalb der ATP-Tour ankommt. Erstens wird das Tennis dort zu schlecht vermarktet, zweitens fließt in vielen Ländern das Geld, das durch die ITF beim Daten-Verkauf erzielt wird und an die einzelnen Länder verteilt wird in falsche Kanäle und wird nicht wie in Deutschland an die Turnierveranstalter weitergegeben. Der Hauptgrund ist aber die generell falsche Verteilung des Geldes, das zweifelsohne in der Tenniswirtschaft vorhanden ist. Da greife ich ganz bewusst die Veranstalter der vier Grand Slam-Turniere an, die hunderte von Millionen Profit machen und dieses Geld nur für ihre eigenen Zwecke verwenden. Die haben auch eine Verantwortung dem Tennis gegenüber. Sie machen zweifelsohne einen hervorragenden Job, aber sie sind ja nicht nur aus der Historie heraus zu Grand Slam-Turnieren geworden. Ein Teil dieses erwirtschafteten Geldes müsste wieder in die Next Generation investiert werden, also auch in Challenger- und Future-Turniere gesteckt werden. Und damit meine ich nicht nur die kleineren Turniere der Grand Slam-Nationen, sondern weltweit. Es kann nicht sein, dass andere Länder Spieler entwickeln und die Grand Slam-Veranstalter vermarkten diese bei ihren Turnieren und stecken den kompletten Profit davon ein. Das ist kein gerechtes System.
Wenn z.B. die Grand Slam-Veranstalter von ihren jährlich mehreren hundert Millionen Profit je 50 Millionen in einen Topf werfen würden, könnte man mit 200 Millionen im Jahr die Spieler der Next Generation entsprechend fördern. Dann könnte man Spielern die zwischen 200 und 700 stehen jährlich 100.000 $ zukommen lassen, Spielern zwischen 700 und 1700 jährlich $50.000 neben dem was bisher gezahlt wird.
Der Tennis-Weltverband hat da eine klare Führungsaufgabe. Ohne dass der Verband und die Spieler das nicht genehmigen ist kein Grand-Slam-Turnier gesichert. Man sollte die Grand Slam-Nationen klar darauf aufmerksam machen, dass ihre Monopol-Stellung nur gegeben ist, wenn sie Verantwortung gegenüber dem internationalen Tennis zeigen.
Zum 05.08.2019 soll erstmalig wieder das einheitliche Ranking und die ATP-Punktevergabe bei den ITF-Turnieren umgesetzt werden. Warum passiert das erst zu so einem späten Zeitpunkt?
Es gibt überhaupt keinen Grund für so eine lange Zeitspanne zur Umsetzung des alten Systems. Wir reden hier über ein einfaches Punktesystem, bei dem nur der Computer angestellt werden muss. Diese Umsetzung hätte man ohne Probleme auch vier Wochen früher umsetzen können. Da wird dann halt so getan, als ob es sich dabei um eine Einstein-Aufgabe handelt. Schwer verständlich – das kann man nur mit menschlichen Eitelkeiten begründen.
Im September in Portugal steht die Neuwahl des ITF-Präsidenten an. Welche Position bezieht der Deutsche Tennisbund bei dieser Wahl?
Der DTB hat vor kurzem wie alle anderen Nationen die Liste der Kandidaten offiziell mitgeteilt bekommen. Diese Kandidaten verschicken jetzt ihre Manifeste, die wir sorgsam prüfen werden. Anschließend werden wir Gespräche mit den einzelnen Bewerbern führen. Da bis zum Wahltermin noch einiges passieren kann, wird sich der DTB kurz, aber rechtzeitig vor der Wahl auf die Unterstützung eines Kandidaten festlegen. Stand heute gibt es noch keine Entscheidung, nur Tendenzen.
Wir wollen an der Sache orientiert wissen, wie sich das Tennis unter den jeweiligen Kandidaten entwickeln soll
Es gilt auch zu berücksichtigen, dass die eigenen Interessen des DTB bestmöglich vertreten werden. So kandidiert der Präsident des DTB Ulrich Klaus für ein Amt im ITF-Board. Der DTB ist neben den Grand Slam-Nationen der einzige Verband, der auch die Höchststimmzahl von 12 bei der Wahl abgeben kann, somit ist er auch für jeden Präsidentschaftskandidaten ein interessanter Verband. Der DTB war in den vergangenen vier Jahren sehr gut beraten, dass er zu allen Themen wie z.B. Davis-Cup, Fed-Cup und WTT eine klare und deutliche Position hatte, die wir auch mit den Spielern abgestimmt haben. Diese Position hat uns in der Vergangenheit auch den Respekt von anderen Nationen eingebracht, auch wenn diese anderer Meinung waren, da wir damit nicht Politik betrieben haben sondern an der Sache orientiert waren.
Vielen Dank für das Gespräch.