International Blog – Interview mit Julian Lenz
Die 48. Auflage der Deutschen Meisterschaften für Damen und Herren finden diese Woche zum bereits elften Mal im WTB-Bezirksstützpunkt in Biberach an der Riß statt.
Nach der verletzungsbedingten Absage von WTB-Lokalmatador Yannick Maden führt der 26-jährige Giessener Julian Lenz die Setzliste im Herren-Einzel vor Ex-Davis Cup Spieler Daniel Masur an.
Vor seinem Auftakteinzel traf sich Dietmar Kaspar zum Interview mit dem ehemaligen College-Spieler, der sich diese Saison in der Weltrangliste auf Position 235 hochgespielt hat und somit ein heißer Anwärter für die Teilnahme am Qualifikationsturnier der Australian Open 2020 ist.
Tennis TourTalk: Wie fühlt es sich an mal wieder als Top-gesetzter Spieler bei einem Turnier anzureisen?
Julian Lenz: Ich bin diese Saison das erste Mal so richtig in die ATP-Challenger-Ebene eingestiegen und war da natürlich ein Spieler, der eher im mittleren oder hinteren Bereich in der Entry-List angesiedelt war. Ich glaube, dass ich auch bei keinem Challenger in der Setzliste war, von daher ist es schon mal wieder etwas Besonderes als gesetzter Spieler an den Start zu gehen.
Wie gehen Sie mit dem Termin der Deutschen Meisterschaften um, die ja sehr spät im Jahr stattfinden?
Ich befinde mich schon in der Vorbereitungsphase für die nächste Saison. Ssomit ist dieses Turnier auch ein Teil dieser Vorbereitung, um neben dem Aufbautraining auch Matches zu bekommen. Als gesetzter Spieler ist es mit einem Freilos in der ersten Runde natürlich sehr angenehm, dass man spät in der Woche einsteigen kann und dieses Turnier sehr gut in den Trainingsablauf integrieren kann.
Was macht für Sie den speziellen Reiz einer Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften aus?
Natürlich ist dieses Turnier eine ganz tolle Herausforderung. Es gibt viele Top-Spieler, die diesen Titel schon mal gewonnen haben. Wenn man dann die Möglichkeit hat, sich auch in dieser Siegerliste zu verewigen ist das schon etwas ganz Besonderes.
Wie hat sich Ihr Tennis-spezifischer Werdegang auch im Hinblick auf Verbandsförderung so gestaltet?
Ich habe ganz normal angefangen in einem kleinen Tennisverein, wo ich dann für den Bezirkskader gesichtet wurde. Über den Hessischen Verbandskader habe ich dann Deutschlandweit gespielt, wo ich zu den besseren Spielern in meinem Jahrgang gehört habe.
Seitens des DTB wurde ich dann regelmäßig zu Lehrgängen eingeladen und durfte den DTB auch im Junior-Davis Cup vertreten, wo ich neben einigen Tennis-Europe-Turnieren erste Erfahrungen auf internationaler Ebene sammeln konnte.
Da der DTB zu diesem Zeitpunkt nicht wie heutzutage in der Grundförderung des DOSB verankert war, hat sich eine Förderung für 18/19jährige Spieler auf dem Weg zum Profispieler sehr schwierig gestaltet. Ich habe mich dann im Alter von 18 Jahren nach dem Abitur an einem normalen Gymnasium für den Schritt nach Amerika entschieden, um an einem College die Voraussetzungen für eine spätere Profikarriere zu schaffen.
Wie hat der weitere Kontakt nach Deutschland während der Zeit am College so ausgesehen?
Ich war während der College-Zeit immer im Sommer für ca. zweieinhalb Monate zu Hause und habe dort die Liga-Matches für den TC Bad Homburg gespielt. Diese Zeit habe ich natürlich auch genutzt, um die in Deutschland stattfindenden ITF-Turniere zu spielen. Betreut wurde ich da schon von meinem privaten Trainer Jochen Müller, mit dem ich insgesamt über 10 Jahre zusammengearbeitet habe. In einem Förderprogramm seitens des Verbandes war ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Ab und zu habe ich dann noch in der HTV-Anlage in Offenbach trainiert, wo ich die Räumlichkeiten und Trainingsmöglichkeiten nutzen konnte.
Wie war die Coaching-Situation während der Zeit in Amerika?
Ich hatte immer noch meinen Heimtrainer in Deutschland, mit dem ich immer in Kontakt gestanden bin und an verschiedenen Sachen gearbeitet habe. In Amerika hatte ich am College insgesamt 3 Trainer, einen Head-Coach und zwei Assistant-Coaches. Es gibt da am College aber keine direkte Zuständigkeit von Coaches für einzelne Spieler.
Da ich sehr schnell erfolgreich gespielt hatte und im 2. Jahr schon die Nr. 2 im NCAA-Ranking war, gefolgt von Position 1 im 3. Jahr, habe ich den Fokus nicht mehr so auf die College-Turniere gelegt, sondern bis schon vermehrt auf ITF- und Challenger-Turniere gereist. Dort war ich oft ohne Coach unterwegs. Falls ich Bedarf hatte konnte ich mir aber immer aussuchen, wenn ich jemanden dabeihaben wollte. Es wurde immer alles von der Uni übernommen und war perfekt organisiert.
Wie ging es dann weiter als Sie Ihr Studium am College erfolgreich absolviert hatten?
Ich bin wieder nach Wetzlar zurückgegangen und habe weiter mit meinem Heimtrainer gearbeitet. Irgendwann habe ich festgestellt, dass mich vermehrt Verletzungen plagen und ich insgesamt stagniere. Da reifte in mir der Entschluss, dass ich etwas verändern muss oder mich ansonsten von dem Weg Profi-Tennis verabschieden muss. Ich habe mir dann Kriterien ausgesucht, die mir bei der Umsetzung wichtig waren und mich auf die Suche begeben.
Der Weg führte ja dann nach München.
Genau, ich hatte zu diesem Zeitpunkt etwas Kontakt zu Kevin Krawietz, der mir von seinem Werdegang erzählt hatte. Kevin war mit ca. 18 Jahren schon die Nummer 300 in der Welt und mit 25 Jahren um die Nr. 600, hatte also auch das Problem einer Stagnations-Phase. Nach seinem Wechsel zu KL Sports-Macher Klaus Langenbach hat sich Kevin innerhalb eines Jahres im Einzel in die Grand-Slam-Qualis gespielt und sich zu einem der besten Doppelspieler der Welt entwickelt. Dieser Weg konnte also nicht so verkehrt gewesen sein.
Ich habe mich dann mit Klaus getroffen und bei unserem Gespräch war ich sehr überzeugt, dass das fachlich und menschlich sehr gut passen könnte. Ab Dezember 2018 habe ich mich dann sehr flexibel und mobil aufgestellt und die Zusammenarbeit mit ihm begonnen.
Als die Zusammenarbeit mit Klaus Langenbach gestartet ist, standen Sie auf Platz 400 in der Weltrangliste. Mit welchen Zielsetzungen seid ihr in die Saison 2019 gegangen?
Ich hatte schon immer gewisse Ziele und Ansprüche an mein Spiel. Ich habe zu Klaus damals gesagt, dass ich mich etwas fühle wie ein Sportwagen mit Fahrrad-Rädern, der die Leistung nicht konstant auf die Straße bringt. Wir haben von Grund auf daran gearbeitet was für eine Art von Tennisspieler ich sein möchte. Wie möchtest du spielen, wie möchtest du deine Punkte gewinnen. Wir haben sehr viel im taktischen Bereich gearbeitet und einige technische Sachen angepasst. Ich dachte eigentlich, dass ich im taktischen Bereich schon sehr ausgereift war, aber wir haben da noch sehr viel verändert. Meine offizielle Zielsetzung war es mich in der Saison an den Bereich der Grand-Slam-Qualis heranzuspielen, intern haben wir schon die Wunschvorstellung Australian Open 2020 kommuniziert.
Welche Schwerpunkte in der Trainingssteuerung sind für die Saison 2020 angedacht?
In diesem Jahr haben wir den Fokus sehr stark auf den Tennis-Bereich gelegt. Gerade arbeiten wir verstärkt daran mich körperlich etwas besser aufzustellen, um durch Präventive die Verletzungsanfälligkeit einzudämmen. Ziel ist es, dass ich auch mal drei oder vier Wochen in Folge auf Turnieren spielen kann ohne das Gefühl zu haben, dass mein Körper angeschlagen ist.
Da ich in der ersten Hälfte der Saison überwiegend auf ITF-Turnieren gespielt habe und insgesamt nur ca. 50 Punkte zu verteidigen habe, sollte der Weg aufgrund eines volleren Turnierplans auf höherer Ebene auch nach oben gehen.
Wie sieht die Turnierplanung für die neue Saison aus?
Es ist meine Mentalität, dass ich immer auf dem höchstmöglichen Level spielen möchte. Aus diesem Grund spiele ich ja Tennis. Es ist nicht mein Ziel, langfristig auf Future- oder Challenger-Ebene zu spielen. Ich möchte perspektivisch bei den großen Turnieren auf ATP-Ebene und bei den Grand Slams dabei sein. Wenn ich die Möglichkeit habe zwischen der Teilnahme an einem Challenger-Turnier oder der Qualifikation für ein Turnier auf der ATP-Tour, werde ich mich immer für das höhere Level entscheiden. In diesem Jahr bin ich bei den ATP-Turnieren in Hamburg und Metz in der Qualifikation an den Start gegangen und habe mich beide Male für das Hauptfeld qualifizieren können.
Ich bin ein Spielertyp der vor größerer Kulisse sein Level noch weiter nach oben heben kann um noch besseres Tennis abzurufen. Da dies aber leider auch in die andere Richtung möglich ist, gab es auch schon Niederlagen, die nicht unbedingt hätten sein müssen. Daran gilt es zu arbeiten, um mich permanent auf die nächste Stufe bringen können.
Alles Gute und vielen Dank für das Gespräch.