Kevin Krawietz in Zeiten von Corona: „Ich habe riesigen Respekt davor, was andere Menschen im Alltag leisten.”

Kevin Krawietz und Hannes Wagner (photo: Dietmar Kaspar)

International Blog – Dietmar Kaspar

Auf den ersten Blick sieht es für den Kunden einer Lidl-Filiale im Raum München nach einem gewohnten Arbeitsprozedere in Zeiten der Corona-Pandemie aus. Zahlreiche Mitarbeiter des Neckarsulmer Discounters haben alle Hände voll zu tun, die Regale für die momentan kauffreudige Kundschaft zu bestücken. Und doch tut sich dem Tennis-Insider eine ungewohnte Perspektive auf. Normalerweise getrennt durch ein Netz zwischen den beiden Platzhälften, befindet sich diesmal ein Rollwagen zwischen den beiden Protagonisten zur Entsorgung der leeren Verpackungsmaterialien.

French Open Doppel-Champ Kevin Krawietz und Hannes Wagner, der seine ebenfalls erfolgreiche Saison 2019 auf nationaler Ebene mit dem Mixed-Titel bei den Deutschen Tennis-Meisterschaften in Biberach krönen konnte, nutzen die tennisfreie Zeit um wertvolle Erfahrungen in einem völlig neuen Arbeitsumfeld zu sammeln.

Getreu dem aktuell angesagten Social Distancing traf sich Dietmar Kaspar per Video-Schaltung mit dem 28-jährigen Coburger Krawietz, der es nach seinem Grand Slam-Coup mit weiteren Erfolgen in die Top-10 der Doppelweltrangliste geschafft hat, und dem 24-jährigen Münchner Wagner zum Doppelinterview über ihre aktuelle Situation während der COVID-19-Pandemie und ob sie bereits das Unternehmens-Motto „Lidl lohnt sich“ verinnerlicht haben.

Dietmar Kaspar (Tennis TourTalk): Die Vita von Kevin ist dem Tennisinteressierten natürlich spätestens seit der famosen Saison 2019 weitgehend bekannt. Hannes, auch du hast Ende letzten Jahres mit dem deutschen Mixed-Titel ein sportliches Ausrufezeichen gesetzt. Skizziere doch mal deinen tennisspezifischen Werdegang. 

Hannes Wagner: Als jugendlicher Clubspieler habe ich mit der Zeit die ganzen Bezirks- und Verbandskader des Bayerischen Tennis-Verbands durchlaufen und bin dann irgendwann in der TennisBase Oberhaching gelandet. Gestartet bin ich da als Externer im Tennis-Internat, später ging es dann über in den Profibereich. Auf der ITF-Junior-Tour habe ich im Einzel kleinere Turniere gewonnen, die größten Erfolge konnte ich aber im Doppel mit Johannes Haerteis erringen. Auch mit Kevin zusammen habe ich ja später mal einen Titel auf der Herren-Tour geholt. Insgesamt konnte ich mich auf Platz 50 der Juniorenweltrangliste spielen und bei allen Junioren-Grand Slams an den Start gehen.

Nach der Juniorenzeit habe ich dann versucht mich auf dem Pro Circuit bei den Herren mit der Teilnahme an den Future-Turnieren durchzusetzen. Leider hat das aus meiner Sicht mit nur mäßigem Erfolg geklappt, ich konnte mich da so um Platz 800 in der Weltrangliste hochdienen. Ende 2016 kam es dann zu einer Handgelenksverletzung, die sich leider als wesentlich schwerwiegender herausgestellt hat wie anfangs gedacht. Ich hatte da starke Schmerzen und konnte über ein Jahr lang kein Tennis spielen. Nach der Verletzung habe ich langsam mit Mannschaftsspielen wieder angefangen, seitdem spiele ich aber nur noch nationale Turniere.

Beim Future-Turnier in Ismaning hattest du mal einen Gegner, der in der letzten Saison auf der ATP-Tour für Furore gesorgt hat. Welche Erinnerungen hast du daran?

Wagner: Ich bin in der ersten Runde auf Daniil Medvedev getroffen. Da ich aber leider in drei Sätzen verloren habe war es damals kein wirkliches Highlight aus meiner Sicht. Ich kannte ihn ja schon aus der Juniorenzeit, wo er immer mit Sascha Zverev und Andrey Rublev im Dreiergespann unterwegs war. Es war schon zu sehen, dass er ganz gut spielt. Aber es hat sich nicht so angefühlt, dass man da einen künftigen Top10-Spieler auf der anderen Seite hatte.

Kevin, du konntest schon im Juniorenbereich große Erfolge feiern.

Kevin Krawietz: Die Juniorenzeit war natürlich sehr spektakulär, woran man sich sehr gerne zurückerinnert. Wenn man als Jugendlicher erstmals bei den Grand Slam-Turnieren ist und mit Profispielern in Kontakt treten kann, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, ist das schon etwas ganz Besonderes. Man hat da eine superschöne Zeit mit den anderen Jungs und bekommt ein Gefühl dafür, wo man später einmal hinmöchte. Wenn sich dann auch noch Erfolge einstellen wie z.B. der Doppeltitel in Wimbledon ist es natürlich umso schöner.

Wie verlief der Übergang in den Herren-Circuit?

Krawietz: Nach den tollen Erfahrungen ist der Sprung von den Junior-Grand Slams zur Future-Tour bei den Herren echt taff. Bei den Slams und auch bei den sonstigen Junioren-Turnieren der höheren Kategorie bekommt man ja Hotels und Verpflegung im Gegensatz zur Future-Tour immer gestellt, meistens vom Allerfeinsten. Wenn man dann zum Beispiel zu einem Turnier nach Sharm-El-Sheikh fliegt, wo Plätze und Trainingsbälle in katastrophalem Zustand sind und Matches von fast orkanartigem Wind beeinflusst werden, ist es schon unglaublich schwierig das richtige Maß an Selbstdisziplin aufzubringen. Neben den jungen aufstrebenden Spielern sind ja auch ältere Spieler auf der Tour, von denen die Futures halt einfach so mitgenommen werden und deshalb nur so larifari trainieren.

Es wird oft kontrovers diskutiert, ob man als junger Spieler versuchen soll, bei den großen Junioren-Turnieren Erfolge zu sammeln oder ob man stattdessen schon frühzeitig den Fokus auf die Herren-Turniere legen sollte. Welche Einschätzung vertrittst du?

Krawietz: Wenn man national in seinem Jahrgang vorne mit dabei ist und vom Deutschen Tennis Bund in den Kaderstrukturen unterstützt wird, sollte man diese Turniere auf jeden Fall spielen. Man hat einfach viele Matches und kann sich mit den gleichaltrigen Spielern weltweit messen. Das sind dann erste Erfahrungen um zu sehen, wo man in seinem Jahrgang international so steht.

Die Erfolge im Doppel bei den Junioren stechen natürlich heraus. Aber auch im Einzel konntest du gute Ergebnisse einfahren.

Krawietz: Es ist mir ganz gut gelungen mein Selbstvertrauen aus dem Doppel auch mal ins Einzel zu übertragen. Im Jahr meines Wimbledon-Doppeltitels konnte ich die beiden größten deutschen Jugendturniere in Offenbach und Berlin gewinnen. Im darauffolgenden Jahr auch die Gerry Weber Junior Open in Halle. Diese Turniere in Deutschland sind super organisiert und es war natürlich etwas ganz Besonderes, diese Titel vor heimischem Publikum einzufahren. In der Junioren-Weltrangliste gibt es ja ein kombiniertes Ranking aus Einzel und Doppel, so konnte ich mich in die Top-10 spielen.

Könnt ihr euch noch daran erinnern, wo sich eure Wege das erste Mal gekreuzt haben und wie sich eure Freundschaft über die Jahre entwickelt hat?

Wagner: Ich kann mich noch daran erinnern, als ich zur TennisBase gekommen bin und mein erstes Training mit den Profis wie beispielsweise Michael Kohlmann, Matthias Bachinger und Dieter Kindlmann bestreiten durfte. Da war Kevin als einer der Jüngeren ebenfalls mit dabei. Kevin und ich haben in der Base auch teilweise zusammengewohnt. Irgendwann haben wir dann gemeinsam beim TC Großhesselohe in der 2. Bundesliga gespielt, von da an haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Fortan haben wir auf der Future-Tour zusammen Doppel gespielt, wenn sich die Gelegenheit dazu ergeben hat. Auch aktuell, wenn Kevin in einer Turnierpause zuhause ist, sehen wir uns öfters.

Im Einzel seid ihr euch auf der Pro-Tour zweimal gegenübergestanden. Sind euch diese Matches noch präsent?

Wagner: Natürlich kann ich mich an diese beiden Matches noch erinnern. Bei unserem ersten Aufeinandertreffen in Hambach durfte ich ja fast nicht gewinnen, da ich bei Kevin zuhause übernachtet habe und somit die Hospitality der Familie Krawietz in Coburg genießen konnte. Im Jahr darauf habe ich mich beim Turnier in Oberhaching revanchiert und konnte ich unsere Bilanz somit ausgeglichen gestalten. Ich glaube an dieses Match erinnert sich Kevin nicht ganz so gerne zurück (Gelächter bei beiden).

Hannes, du hast dich neben dem Tennis gerade auch im Hinblick auf deine schwere Verletzung schon frühzeitig nach beruflichen Alternativen umgeschaut. Welcher Art sind diese?

Wagner: Trotz anderslautender Meinung des operierenden Arztes hatte ich aufgrund der Schmerzen schon frühzeitig das Gefühl, dass ich auf absehbare Zeit erst mal kein Tennis spielen werde. Über einen Bekannten aus meinem ersten Verein bin ich zu einem Praktikum bei einer Produktionsfirma im Fernsehbereich gekommen, um in das Berufsleben reinzuschnuppern. Dort habe ich ein Jahr gearbeitet, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Daraufhin habe ich ein Studium im Bereich Medienwirtschaft und Medienmanagement begonnen. Während des Studiums habe ich dann angefangen Training bei der Tennisschule Timo Schwarz und Frank Pokorny in Gräfelfing zu geben, was finanziell in Sachen Aufwand und Ertrag für mich lukrativer ist als eine weitere Beschäftigung in der Produktionsfirma als Werkstudent. Da mein Handgelenk inzwischen wieder schmerzfrei ist, habe ich neben dem Trainerjob begonnen Mannschaftsspiele zu bestreiten und nationale Preisgeldturniere zu spielen.

Dein Ziel war es aber ursprünglich schon einmal Tennisprofi zu werden?

Wagner: In Deutschland war ich in meinem Jahrgang ganz vorne dabei war und habe auch einen Titel bei den Deutschen Jugendmeisterschaften einfahren können, deshalb war es natürlich mein Traum Tennisprofi zu werden. Da sich aber die Verletzung am Handgelenk so lange hingezogen hat wurde mir klar, dass es immer schwerer wird, die verlorene Zeit aufzuholen. Das Leben auf der Future-Tour ist ein Draufzahl-Geschäft. Selbst wenn man einen gut dotierten Vertrag für die Mannschaftsspiele hat kann man maximal drei bis vier Monate davon zehren. Aufgrund meiner beruflichen Alternativen habe ich mich dann von dem Gedanken ans Profi-Tennis verabschiedet.

Könntest du dir vorstellen auch mal im Profi-Bereich als Coach zu arbeiten?

Wagner: Ehrlich gesagt habe ich mich mit diesem Thema noch gar nicht beschäftigt, auch aus dem Grund, weil sich noch keine Möglichkeit dazu ergeben hat. Ich bin der Meinung, wenn man nicht selbst auf einem gewissen Niveau gespielt hat, ist es aufgrund der fehlenden Erfahrung fast nicht möglich einen Top-Spieler erfolgreich zu betreuen. Man sieht auch den Trend bei der absoluten Weltklasse, dass die Spieler vermehrt ehemalige Profis mit ins Boot holen. Die Betreuung eines ambitionierten Jugendspielers könnte ich mir aber schon vorstellen.

 

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Kevin, die Corona-Pandemie hat für den ganzen Tennissport aufgrund abgesagter Turniere und der Schließung sämtlicher Sportanlagen weitreichende Folgen. Du warst schon in den USA in Vorbereitung auf die BNP Paribas Open. Wie ist es dir dort ergangen und was hast du in der tennisfreien Zeit bisher so gemacht?

Krawietz: Nach langer Anreise zusammen mit meiner Freundin, von Los Angeles waren es ja noch über zwei Stunden Autofahrt nach Indian Wells, kam beim Einchecken in das Turnier mein Spielerkollege John Millman auf mich zu und meinte, dass das Turnier nicht stattfinden würde. Zuerst wollte man das nicht wahrhaben und tat dies als Gerücht ab. Am nächsten Tag kam über Social Media vermehrt diese Meldung und nach Rücksprache mit der ATP und dem Turnierdirektor Tommy Haas hat sich das leider bestätigt. Wir sind dann erst mal vor Ort geblieben um abzuwarten, was mit dem Turnier in Miami passiert, welches zwei Wochen später stattfinden sollte. Als dann die Absage für die Miami Open in Verbindung mit der sechswöchigen Turnierpause auf ATP-und ITF-Ebene kommuniziert wurde, haben wir die Gelegenheit genutzt um etwas Urlaub zu machen. Wir haben gerade noch einen der letzten Flieger zurück nach Deutschland bekommen, wo wir dann wie jeder andere auch, auf News gewartet haben.

Hat die Zwangspause für dich zumindest den kleinen Vorteil, dass du abseits vom Tour-Stress mal reflektieren und verarbeiten kannst, was letzte Saison alles passiert ist?

Krawietz: Die letzte Saison war aufgrund der Teilnahme bei den ATP-Finals in London und dem Davis-Cup in Madrid schon unheimlich lange. Danach bin ich mit meiner Freundin für zwei Wochen in Urlaub geflogen, den ich sehr genießen konnte. Dabei hatte ich ausgiebig Zeit Turnier für Turnier durchzugehen und zu realisieren, was für ein verrücktes Jahr das für mich war. Natürlich hatte ich mich riesig auf die beiden tollen Turniere in den Staaten gefreut, aber vielleicht tut eine längere Pause auch mal ganz gut. Auf jeden Fall hatte ich seit vielen Jahren nicht mehr die Gelegenheit mehrere Wochen am Stück entspannt zuhause zu verbringen. 

Wie eingangs schon berichtet habt ihr euch für die trainingsfreie Zeit während der Corona-Krise einen Job beim Discounter Lidl besorgt. Wer von euch hatte die Idee? 

Krawietz: Kurz nach meiner Rückkehr aus Indian Wells haben wir uns getroffen. Da meinte Hannes so halbernst, dass er sich überlegt in einem Supermarkt Regale einzuräumen. Warum eigentlich nicht? Anfangs wurde die Aussage im Freundeskreis etwas belächelt und nicht ernst genommen. Zwei bis drei Wochen später hatte ich Kontakt zu einer Bekannten von meiner Freundin, die bei Lidl arbeitet. Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass die sportliche Zwangspause noch länger andauern wird, dachte ich mir, dass man den Vorschlag von Hannes wirklich umsetzen könnte.

Wagner: Nachdem Kevin bei mir wegen des Vorschlags angerufen hatte, konnte ich ja zum einen nicht mehr raus aus der Nummer, andererseits kam es mir natürlich sehr gelegen, da ich momentan keinerlei Einnahmen aufgrund der ausfallenden Trainerstunden und Turniere habe.

Wie sieht die Arbeitseinteilung dort bei euch aus?

Wagner: Das läuft absolut perfekt für uns. Wir können immer zusammen arbeiten, dadurch haben wir auch riesigen Spaß dabei. Wenn jeder von uns in einer anderen Filiale arbeiten würde, um sein Ding zu machen, wäre es bestimmt schwieriger. Man bekommt schon ein Gefühl dafür wie privilegiert man ist, wenn man im Alltag mit seiner Leidenschaft Tennis das Geld verdienen kann.

Krawietz: Natürlich war es anfangs erst eine witzige Idee, aber wir machen das auf keinen Fall nur aus Spaß heraus. Es steht schon im Vordergrund, Einblicke und Erfahrungen in einem anderen Arbeitsumfeld zu sammeln als man das sonst gewohnt ist. Der finanzielle Aspekt ist bei mir nicht zwingend, aber die verdienten Euros nimmt man natürlich gerne mit.

Man entwickelt schon einen unglaublichen Respekt, wenn man zum Beispiel von einer Kollegin hört, dass sie diesen Beruf bereits 17 Jahre lang ausübt.

Wie war die Reaktion aus eurem Bekanntenkreis in Bezug auf diese Tätigkeit?

Krawietz: Die Reaktion ist absolut positiv. Man bekommt von jedem, der das in meinem Freundeskreis mitbekommen hat zu hören, dass sie das total cool finden. Da gibt es keinen der da abfällig fragt: Was macht ihr denn da? Ich bin mir sicher, dass wir in ein paar Jahren gerne zurückblicken werden, was für eine besondere Erfahrung das war.

Wagner: Vielleicht können wir ja andere inspirieren, denn ich finde solche Erfahrungen sollte man in seinem Leben auf jeden Fall machen. Gerade in der momentanen Phase wegen Corona würde sich vielen eine solche Gelegenheit bieten.

Gibt es schon Anekdoten über die ihr berichten könnt?

Wagner: Ich habe mich früher auch schon ertappt wie ich mich innerlich aufrege, wenn irgendwas in den Regalen nicht vorrätig ist. Heute habe ich einen ganz anderen Blick darauf, weil ich jetzt weiß, wie aufwändig z.B. eine permanente Bestückung im Hinblick auf Corona gerade auch in Kombination mit einem Osterwochenende ist. Bei unserer ersten Schicht ab 6 Uhr morgens war schon eine Viertelstunde vor Öffnung eine riesige Schlange vor der Tür. Beim Betreten haben uns die Kunden teilweise die Waren direkt von der Palette heruntergenommen. Nach der fünf-stündigen Schicht war ich körperlich ganz schön platt.

Krawietz: Ein Klassiker ist natürlich auch, wenn der Kunde hinten eine Bettwäsche mitnimmt und sich dann beim Regal mit den Schokoriegeln doch dagegen entscheidet, um sie dort abzulegen. Bestimmt hat das fast jeder in seinem Leben schon mal gemacht, aber wenn man eine Stunde lang einen Karton mit Sammelartikeln wieder zurückgeräumt hat wird man das selbst bestimmt nicht mehr machen.

Werdet ihr während der Arbeit von Leuten erkannt bzw. angesprochen?

Krawietz: Einmal hat mich eine Dame angesprochen und gefragt, ob ich derjenige bin, der auch Tennis spielt. Aber weiter hat sie sich dann nicht mehr dafür interessiert, sondern ist zum fachlichen übergegangen, wo eine bestimmte Käsesorte zu finden ist (lacht). Ich muss auch fairerweise zugeben, dass ich früher beim Einkaufen dem einräumenden Personal auch keine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Diese Perspektive wird sich nach dieser Zeit auf jeden Fall ändern.

Wie ist das generell bei dir? Nach Auftritten im Aktuellen Sportstudio und der Prämierung bei der Wahl zum Sportler des Jahres hat sich dein Bekanntheitsgrad bestimmt verändert.

Krawietz: Das ist schon noch überschaubar. Direkt nach Paris wurde man öfter mal wegen einem Foto oder so angesprochen, wenn man frühstücken geht oder abends in der Stadt war. Wenn ich in München unterwegs bin kommt es schon mal vor, aber eher selten. Anders ist das natürlich, wenn ich durch Coburg laufe. Da ist dann schon eine riesige Aufmerksamkeit vorhanden.

Im Moment ist es fast unmöglich vorherzusehen, wann und in welcher Form es mit dem Tennis auf der Tour wieder losgehen wird. Wie ist der aktuelle Trainings-Status bei dir?

Krawietz: Vor kurzem haben wir für den Bundesstützpunkt in Oberhaching eine Sondergenehmigung bekommen. Da dürfen dann nur die beiden Spieler auf dem Platz sein. In dieser Woche habe ich dreimal gespielt, was momentan auch völlig ausreichend ist. Da geht es ja nur darum sich tennis-spezifisch etwas zu bewegen und den Touch nicht zu verlieren. Ein intensiveres Training wird erst wieder notwendig, wenn der genaue Starttermin kommuniziert ist.

Wenn man versucht die Gründe für die jahrelange Dominanz der Big-3 zu ergründen, bekommt man von den Herren Federer, Nadal und Djokovic immer die Auskunft, dass man sein Spiel permanent weiterentwickeln muss bzw. sich immer wieder neu erfinden muss. Arbeitest du mit deinem Partner Andreas Mies auch daran?

Krawietz: Vor den ATP-Finals in London haben wir z.B. die Deutsche Sporthochschule in Köln damit beauftragt, Statistiken über die anderen Doppelpaarungen herauszuarbeiten. Da die sieben gegnerischen Teams im Vorfeld feststanden, wollten wir uns optimal darauf vorbereiten. Aufgrund der kurzen Vorlaufzeit brauchten wir da professionelle Unterstützung, da es sich dabei um einen riesigen Aufwand handelte. Es galt herauszufinden, wie sich die anderen Paarungen in bestimmten Situationen auf dem Platz verhalten. In einigen Phasen hat uns das beim Turnier auch geholfen, denn die Statistiken waren super herausgearbeitet. Wir haben aber auch gemerkt, dass aufgrund dieser Informationsfülle die Spontanität und der Instinkt auf dem Platz etwas zu kurz kommen. Deshalb haben wir das Projekt erst mal eingefroren, sind aber selbstverständlich für neue Innovationen immer offen.

Kitzelt es dich eigentlich ab und zu wieder einmal im Einzel anzutreten oder hast du das Thema endgültig abgehakt?

Krawietz: Natürlich reizt es mich immer wieder mal etwas Einzel zu spielen. Bei Turnieren schnappe ich mir manchmal im Training jemanden um ein verkürztes Match zu spielen. Wenn ich dann aber vermeintlich leichte Fehler mache, weil das spezifische Training dafür fehlt, ärgere ich mich da leicht und dann ist das kurze Abenteuer schnell wieder beendet.

Eine Zielsetzung für die Saison 2020 macht aufgrund der aktuellen Situation wenig Sinn. Welche sportlichen Ziele verfolgst du perspektivisch?

Krawietz: Ein großes Ziel zu Beginn der Saison war natürlich die Teilnahme an den Olympischen Spielen und das ist es auch nach wie vor. Ich denke es ist für jeden Sportler ein ganz großes Ziel da einmal dabei sein zu dürfen. Ansonsten arbeiten wir perspektivisch daran unsere Konstanz zu erhöhen, denn wir hatten schon einige Schwankungen in unserem Spiel und auch Niederlagen kassiert, die nicht unbedingt sein mussten. Sollte uns das gelingen, möchten wir uns in den Top-10 festbeißen und bei jedem Turnier, zu dem wir anreisen, eine echte Chance auf den Titel haben.

Hannes, welche sportlichen und beruflichen Ziele hast du dir für die Zeit nach Corona gesteckt?

Wagner: Sportlich ist es fast nicht möglich mein nationales Ranking zu verbessern um weiter nach vorne zu kommen. Ich hoffe, dass ich mir mit den Preisgeldturnieren weiterhin ein gutes Taschengeld dazuverdienen kann. Es wäre natürlich toll, wenn ich mich wieder für die Deutschen Meisterschaften am Jahresende qualifizieren könnte. Nicht nur aufgrund meines erfolgreichen Abschneidens mit dem Mixed-Titel, sondern auch um alte Weggefährten meiner Tenniskarriere zu treffen. Auf beruflicher Ebene plane ich in den nächsten beiden Jahren mein Studium abzuschließen und danach einen festen Job zu suchen. Mein Ziel ist es nicht Tennis-Trainer zu werden. Aber für die Zeit während des Studiums ist das ideal für mich.

Zur Erreichung der Ziele wünsche ich viel Erfolg und bedanke mich für das Gespräch.