ATP Challenger Tour: Tennis in der neuen Normalität

Finale beim ATP Challenger in Triest

International Blog – Florian Heer

Über zwei Wochen sind seit der Corona-Zwangspause auf der internationalen Tennis-Tour vergangen. Inzwischen wird der gelbe Filzball wieder regelmäßig über das Netz geschlagen. Vier Turniere in zwei Ländern wurden bereits auf der ATP-Challenger-Tour ausgetragen. Ich war bei den Veranstaltungen in Italien vor Ort. Wie läuft professionelles Tennis in Zeiten der Pandemie ab? Das Bild ist eher zwiegespalten.

Während die Eindrücke via Live-Stream von der zweiwöchigen Turnierserie im tschechischen Prag, unterstützt durch den Star-Auftritt des dreimaligen Grand-Slam-Siegers Stan Wawrinka, mit vollgepackten Rängen an die unglückselige Adria-Tour erinnerten, ergab sich bei Ankunft bei den Città di Todi in Umbrien ein völlig anderes Bild.

Angekommen in der „neuen Normalität“

Bereits außerhalb des Turniergeländes wird man mit tief im Gesicht sitzender Maske von den Organisatoren begrüßt. Klassische Presseakkreditierungen gibt es keine. Auf der Rückseite eines Tickets wird vermerkt „Press – tutti i giorni“. Nach erfolgreich absolvierten Fiebertest per Infrarot-Handgerät bringt einen das Stück Papier über einen kleinen Umweg unter schattenspendenden Bäumen in der brütenden Hitze auf der weitläufigen Anlage des Tennis Club Todi 1971 schließlich auf eine der beiden Tribünen des Center-Courts.

Der offizielle Eingang ist den Spielern, ihrer Begleitperson, den Offiziellen und Mitarbeitern des Turniers vorbehalten.  Auf der gesamten Anlage herrscht die Pflicht zum Tragen einer Maske. Penibel wird darauf geachtet, dass diese auch nicht verrutscht und die ein oder andere Nase zum Vorschein kommt. Die Tribünen an den Längsseiten des Hauptplatzes bieten für circa 300 Personen Platz. Jedoch muss jeder zweite Sitz freigehalten werden. Es greift das inzwischen bekannte Social-Distancing.

Ein Andrang von Zuschauermassen musste hier allerdings bis einschließlich zum Finaltag nicht bewältigt werden. Vielleicht lag es an den Temperaturen mit bis zu 40 Grad, an der Ferienzeit Mitte August oder an der Abgeschiedenheit des Events im italienischen Nirgendwo. Wahrscheinlich ein bisschen von allem. Nichtsdestotrotz wirkten die Veranstalter von MEF-Tennis-Events, unter der Leitung einer Familie aus Todi, die mehrere ATP-Challenger-Turniere am Stiefel organisieren, jederzeit gerüstet den Anforderungen der „neuen Normalität“ gerecht zu werden.

Negative Tests, positive Stimmung

Eine Tatsache, denen auch die Spieler vor Ort höchsten Respekt zollten. Diese waren durchweg voll des Lobes. Die regelmäßig durchgeführten Tests der Spieler und deren Entourage auf COVID-19 waren bis auf eine Ausnahme durchweg negativ, die Stimmung unter den Cracks positiv. Ein sicheres Gefühl von einem „Leben in der Bubble“ stellte sich ein, verstärkt durch einen eigenen abgesonderten Bereich auf dem Turniergelände, gemütlich ausgestattet mit Liegestühlen und Restaurant. Ein sommerliches Idyll in Zeiten der Pandemie.

Anderes Bild in Triest

Nach sieben Tagen in Umbrien, Ankunft im rund 600 Kilometer entfernten Triest. Die Hauptstadt der Region Friaul-Julisch Venetien unterscheidet durch ihre wechselvolle Geschichte sich merklich von anderen Metropolen des Landes. Die Einflüsse der langen Herrschaft der Habsburger und die Nähe zu Slowenien sind deutlich spürbar. Zweisprachig werden die Ortsnamen ausgeschrieben als es auf einen Hügel hoch über dem Golf von Triest in Richtung Tennis-Club-Triestino geht. Während in Todi bereits die 12. Ausgabe des Events über die Bühne ging, lädt man hier zur Premiere auf der ATP-Challenger-Tour.

Auch der erste Eindruck ist anders. Es herrscht freier Eintritt. Für die Spieler scheinen keine separaten Bereiche vorgesehen. Zudem trägt mit Ausnahme der Spieler und Turnierverantwortlichen kaum jemand eine Mund-Nasen-Bedeckung, was seit dem Maskenball in der Provinz Perugia doch etwas befremdlich wirkt. Lediglich der obligatorische Temperatur-Check am Eingang wird auch hier durchgeführt. Akkreditierungen für die Medienvertreter werden wie im Prä-Corona-Zeitalter üblich mit der Aushändigung einer offiziellen „Badge“ des Turniers getätigt. Auch wenn meine – trotz vorheriger Anmeldung – die Funktion „Coach“ ausweist, lasse ich mich davon nicht beirren und nehme es als „besonderes Exemplar“ in die persönliche Sammlung auf.

Kritik der Spieler

Die Stimmung bei den Profis ist zwiegespalten. Die Akteure, die vom Turnier aus der tschechischen Hauptstadt angereist sind, scheinen weniger irritiert von dem etwas saloppen Umgang in Bezug auf Abstandsregeln und Maskenpflicht als die, die mit mir aus Todi angereist waren. „Vielleicht liegt es auch daran, dass in Todi ein deutscher Supervisor vor Ort war, hier ein Italiener“, lautet der etwas süffisante Kommentar von einem der Profis am Rande des Spielfelds.

Zugegeben war auch hier der Zuschauerspruch zu Wochenbeginn übersichtlich. Als jedoch gen Final-Wochenende immer mehr Publikum das wesentlich kleinere Gelände füllte, konnte kaum ein Sicherheitsabstand auf, als auch rund um den Campo-Centrale gewährleistet werden. Immer mehr Leute drängten sich dicht an dicht entlang der Umzäunung, um insbesondere den Sensationslauf des spanischen Teenagers Carlos Alcaraz zu seinem ersten Titelgewinn auf der Challenger-Tour zu begutachten.

Kehrtwende am Freitag

Freitagnachmittag inmitten der Viertelfinalbegegnungen war es dann soweit. Das Sicherheitspersonal, bestehend aus zwei jungen Männern in blauer Dienstkleidung, wurde aktiv und begann die Leute freundlich aber bestimmend darauf hinzuweisen ihre „Masquerina“ aufzusetzen. Eine entsprechende Durchsage folgte.

„In Italien gilt ein Mindestabstand von einem Meter. Innerhalb dessen muss bei Freiluftveranstaltungen keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Sobald dieser nicht mehr gewährleistet ist, gilt die Maskenpflicht“, erklärt Turnierdirektor Piero Tononi das Vorgehen. „Dieser Fall trat ab Freitag ein und wir haben die dementsprechenden Maßnahmen eingeleitet.“

Im Allgemeinen muss vor jedem Veranstalter, der in diesen schwierigen Zeiten ein Turnier durchführt, der Hut gezogen werden. Sicherlich möchte jeder der Organisatoren ein sicheres, den Hygieneregeln entsprechendes, Event abhalten. Die Ansätze bei der Durchführung haben sich jedoch als unterschiedlich herausgestellt, auch geprägt durch Vorschriften in den verschiedenen Regionen und Ländern.

Fazit

Kann also Profi-Tennis während der Corona-Krise funktionieren? Lässt man einmal Reisebeschränkungen außen vor, die mit Sicherheit eine der größten Hürden für die Profis im globalen Wanderzirkus darstellen, können Events aber durchaus ausgetragen werden. Eine dementsprechende Vorbereitung der Organisatoren und das Bestreben der Beteiligten an einem solchen Event sich verantwortungsvoll zu verhalten sind dabei essentiell und eine Grundvoraussetzung.