International Blog – Florian Heer
Mit dem Ziel deutschen Tennis-Profis wieder Spielpraxis zu ermöglichen startet Anfang Juni die DTB-German-Pro-Series. 32 Herren und 24 Damen werden an 10 Standorten wieder auf Punktejagd gehen. Den Turnierveranstaltern und Sponsoren der deutschen ATP-Challenger-Events, der ITF-World-Tennis-Tour sowie der Tennis-Bundesliga soll mit der Einladungsserie ebenfalls eine Plattform geboten werden. Auch wenn das jährlich im Sommer ausgetragene ATP-Challenger-Turnier in Meerbusch offiziell noch nicht der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen ist, soll die Stadt in Nordrhein-Westfalen Anfang Juli mit am Start sein, um die Halbfinalrunde der Herren auszurichten.
„Ich habe das Turnier offiziell noch nicht abgesagt, auch wenn viele Kollegen in Europa ihre Events verlegt oder storniert haben,“ erklärt Veranstalter Marc Raffel im Rahmen des Tennis-Podcasts „Challenger-Corner“ den aktuellen Status der Tennis Open Stadtwerke Meerbusch, die für den 10. bis 16. August geplant sind. „Natürlich bin ich realistisch und sehe die Chancen auf eine Durchführung aber als sehr klein an.“
Es gibt eine neue Ausgabe der #ChallengerCorner! Wir haben mit Marc Raffel, Turnierdirektor des @ATPChallenger in Meerbusch gesprochen. Meerbusch wird einer der Ausrichter der Turnierserie des DTB sein:https://t.co/i4SyPJi2hI
— Challenger Corner (@ChallengrCornr) May 12, 2020
Exhibition als neue Normalität
Raffel, als Diplom-Sportlehrer, DTB A-Trainer und Inhaber der M.A.R.A. Sport-Consulting Agentur gut vernetzt im Tenniszirkus, sieht folgerichtig der Einladungsserie des Deutschen Tennis Bunds mit Freude entgegen. Zudem hatte er bereits mit der Durchführung einer ähnlichen Veranstaltung geliebäugelt.
„Unabhängig von den Planungen des DTB wollte ich mit meinen Challenger-Kollegen in Braunschweig und Heilbronn, deren Veranstaltungen ebenfalls von der Turnierpause betroffen sind, eine Exhibition-Tour durchführen. Darüber wollte ich mit Dirk Hordorff (Anm.: DTB Vize-Präsident) sprechen, der mir allerdings sofort entgegnete, dass wir die gleiche Idee hätten. Ich kam zu dem Ergebnis, dass eine Partnerschaft mit dem DTB besser wäre als es selbstständig durchzuführen. Zudem finde ich das Konzept gut, da die Spieler rund zwei Monate Spielpraxis sammeln werden.“
Königsklasse DTB-German-Pro-Series
Acht Gruppen mit jeweils vier Spielern, anschließender Zwischenrunde, Halbfinals und Finale sind ab der Woche 8. Juni geplant. Mit Jan-Lennard Struff und Laura Siegemund sind zudem einige von Deutschlands Top-Profis mit am Start. Gespielt wird im Format der „Champions-League“, wie Raffel es bezeichnet.
„Es besteht die Möglichkeit aus der Not eine Tugend zu machen und zu sagen, dass ich anstelle eine Challengers oder Futures hier die Champions-League mitspiele. Wenn ich ein gutes Vermarktungskonzept an der Hand habe, kann das sogar ein Upgrade sein.“
Neustrukturierung des Unterbaus erwünscht
Darüber hinaus stellt Raffel mit Blick auf die Austragung der internationalen Turnierserien in Zukunft eine interessante Frage: „Wird sich diese globalisierte ATP-Tour und ITF-World-Tennis-Tour in dieser Form halten können?“ Und gibt auch sofort seine persönliche Einschätzung: „Ich wage das zu bezweifeln. Man muss dem DTB und dem neuen Turnierformat einen Testlauf gestatten und eventuell auch in den nächsten Jahren etablieren.“
Raffel zieht Vergleiche zur Wirtschaft. „Ähnlich wie ein großer Konzern merken ATP und ITF, dass die Globalisierung gut war, aber auf Kante geschnitten ist. Ich vergleiche es mit Lieferketten, die nicht mehr stattfinden. Wenn Spieler nicht mehr weltweit reisen können, muss man sich ein neues Produkt überlegen. Ich befürchte, dass die Pandemie nicht im Oktober zu Ende ist und dass wir weiter damit leben müssen. Deswegen kann ich nur empfehlen auch mal quer zu denken und vielleicht die Grand-Slam-Turniere sowie die Masters 1000 Events so zu belassen, aber den Unterbau auf nationale Touren zu begrenzen. Dort können sich Spieler dann für die Big-Events qualifizieren. Es ist doch ein Irrsinn, dass 16- oder 17-jährige Leute, die kein Geld verdienen, über Ozeane und Zeitzonen durchfliegen müssen, um irgendwo einen ITF-Punkt zu gewinnen. Das ist doch im Grunde genommen totaler Kappes.“
Krise als Chance
Vorgänger des globalen ITF-Pro-Circuit war bei den Herren ab 1976 der sogenannte Satellite-Circuit, der in Form von zusammenhängenden Turnierserien in Europa und Nordamerika veranstaltet wurde. Raffels Ansatz würde somit dem Motto „back to the roots“ folgen. „Zentraleuropa mit Deutschland, Österreich und der Schweiz könnte dabei beispielsweise eine Division formen. Das Spielfeld für die dritt- viert- und fünftklassigen Spieler, die ebenfalls tolle Sportler sind, sollte regional geprägt sein.
Raffel sieht in der anhaltenden Covid-19-Krise auch die Möglichkeit die Weichen für die Zukunft erfolgreich zu stellen.
„Man muss jetzt neu denken. Nicht nur große Konzerne wie DHL, Adidas oder die Lufthansa müssen sich Gedanken über die Zukunft machen, sondern auch die ATP- und ITF-Tour.“