International Blog – Dietmar Kaspar
Trotz verwandeltem Matchball schien er erst noch einen Moment in sich gehen zu müssen, bevor er die Arme zur Geste des Sieges gen Himmel recken und seiner Freude verbal Ausdruck verleihen konnte. Nach 2019 sicherte sich der 22-jährige Louis Wessels mit einem hartumkämpften 4-6, 7-5, 7-6 Finalsieg seinen zweiten Titel bei den Marburg Open, die sich zum 22. Mal jährten.
Das Traditionsturnier, das von 2010 bis 2018 als ATP-Challenger-Turnier ausgetragen wurde, kehrte 2019 als Teil der DTB Internationals presented by Wilson wieder zurück in den Kalender der ITF World Tennis Tour. Nach dem Finalsieg traf sich Dietmar Kaspar mit dem Detmolder zum Video-Interview.
Tennis TourTalk: Vorab natürlich erst mal herzliche Gratulation zum Turniersieg, Louis.
Louis Wessels: Dankeschön. Vielen, vielen Dank.
Du hattest das Turnier in Marburg 2019 gewonnen und nachdem es 2020 wegen Corona nicht stattgefunden hat, warst du quasi der Titelverteidiger. Geht man da mit besonderer Motivation in das Turnier.
Die Erfahrungen aus 2019 waren der erste Grund warum ich überhaupt in die Turnierwoche gestartet bin, denn damals habe ich mich dort unglaublich wohl gefühlt. Vor zwei Jahren hatte ich mir eine Woche vor dem Turnier einen Bänderriss zugezogen und mich erfolgreich durch das Turnier gefightet. Dieses Mal hatte ich mir im Vorfeld einen Faserriss eingefangen, aber als Titelverteidiger an den Start zu gehen war für mich natürlich eine extra Motivation.
Ich bin gut in das Turnier gestartet und habe mich von Runde zu Runde durchgespielt und habe auch deutlich besser Tennis gespielt als die Wochen und Monate zuvor.
2019 war das Turnier mit 15.000 Dollar dotiert und du warst an Position 1 gesetzt, dieses Jahr war es ein 25.000er-Turnier bei dem du nicht gesetzt warst. Wie fällt deine persönliche Gewichtung der beiden Erfolge aus?
Auf jeden Fall war es in diesem Jahr sehr wichtig für mich, denn ich hatte eine lange Leidenszeit hinter mir. Letztes Jahr habe ich neun Monate gar nicht gespielt. Ich habe mir bei diesem Turnier sehr viel Selbstvertrauen erspielt, worauf ich viele Wochen gewartet habe. Es bedeutet mir sehr viel, hier zu spielen und den Rückhalt der ganzen Leute zu spüren. Jetzt habe ich hier ein 15.000er und ein 25.000er gewonnen. Vielleicht steigt das Turnier ja wieder zu einem Challenger-Turnier auf und ich kann dann den nächsten Schritt machen (lächelt).
Das Finale war für dich gegen Nick Hardt aus der Dominikanischen Republik zu bestreiten, der in diesem Jahr bereits drei Titel auf der ITF-World-Tennis-Tour gewinnen konnte, alle auf Sand. Es war dann ein Thriller in drei Sätzen bei über drei Stunden Spielzeit. Schildere mal das Finale aus deiner Sicht?
Im ersten Satz war ich komplett unterlegen. Man hat gesehen, dass mein Gegner auch aufgrund seines Turniersiegs in der Woche davor mit viel Selbstvertrauen angetreten ist. Anfang des 2. Satzes gab es eine 90-minütige Regenunterbrechung, was mir etwas mehr in die Karten gespielt hat. So konnte ich seinen Run stoppen. Danach war es ein anderes Match, wo beide Spieler ihre Chancen hatten. Es war ein richtiger Thriller und ein ganz besonderes Gefühl, gerade auch weil in Deutschland erstmals wieder Zuschauer erlaubt waren. Nach über 3 Stunden konnte ich mich dann im Tiebreak des 3. Satzes mit 7:5 durchsetzen.
Beim Blick auf deine bisher sechs Titel auf der ITF-Tour fällt auf, dass du drei davon in Deutschland (2 x Marburg, 1 x Essen) und zwei in der Schweiz gewonnen hast. Fühlst du dich bei Turnieren im deutschsprachigen Raum besser als im fernen Ausland?
Darüber habe ich auch schon nachgedacht und mit meinem Team darüber gesprochen. Wenn man die Ergebnisse betrachtet trifft dies auf jeden Fall zu. Es hat mit dem eigentlichen Sport nichts zu tun, aber ich fühle mich allgemein in Deutschland sehr wohl auf den Plätzen. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn bei den Turnieren deutsch gesprochen wird und man sich mit den Leuten gut unterhalten kann.
Wie ist das Turnier im Vergleich zu anderen Turnieren in Deutschland und international organisiert?
Die Turniere in Deutschland sind im Vergleich zu den ausländischen Turnieren meist viel besser organisiert. Gerade hier in Marburg, die ja viele Jahre ein Challenger-Turnier veranstaltet haben, wissen die Verantwortlichen ganz genau was sie hier machen. In Sachen Organisation, Physios, etc. ist das überhaupt kein Vergleich zu Turnieren wie z.B. in Nordafrika. Turniere wie Kairo oder Monastir habe ich schon aus meinem persönlichen Terminkalender verbannt (grinst).
Beim weiteren Betrachten deiner Titel erkennt man auch, dass all deine Siege auf Sand erzielt wurden. Dem Beobachter deiner Matches fällt jedoch auf, dass du dein Spiel über deine körperliche Größe mit dominierenden Aufschlägen aufbaust und man würde dich nicht gerade als richtigen Sandplatz-Spezialisten einstufen. Ist Sand dein Lieblingsbelag?
Ja, Sand ist auf jeden Fall mein Lieblingsbelag. Auch in der Juniorenzeit habe ich all meine Titel auf diesem Belag gewonnen. In Deutschland wächst man halt auf Asche auf und da fühle ich mich am wohlsten. Natürlich kann man sagen, dass es meinem Spiel nicht so entgegenkommt, aber ich habe das Gefühl, dass ich auf diesem Belag viel mehr Zeit für meine Schläge habe. Ich wähle meine Turniere auch danach aus und versuche auch gegen Ende der Saison möglichst lange auf Sand zu spielen.
Du warst als erfolgreicher Juniorenspieler unter den besten 20 der Junioren-Weltrangliste und bist als heute 22-jähriger schon gut sechs Jahre richtig auf dem Pro-Circuit unterwegs. Aktuell bist du mit deinem Turniersieg wieder um Position 420 im ATP-Ranking. Wie schwer war für dich der Übergang vom Junioren-Bereich auf die Herren-Tour?
Das ist auf jeden Fall die komplizierteste Sache, die man als Profispieler in seiner Karriere durchmacht. Mir hat 2016 die Wildcard beim ATP 500-Turnier in Hamburg sehr geholfen. Durch meinen Auftaktsieg im Hauptfeld konnte ich gleich mit einem Ranking um Platz 600 in der Weltrangliste einsteigen, was mir für die kommenden Future-Turniere sogar oft eine Setzung eingebracht hat. Aber es ist bis heute ein schwieriger Schritt. Man merkt, dass das Durchschnittsalter in den Top-100 immer höher wird und man immer mehr Erfahrung braucht um nach oben zu kommen. 2018 hatte ich es schon bis auf Platz 320 im ATP Ranking geschafft. Aufgrund der Einführung der Transition-Tour mit zwei Ranglisten bin ich dann aber auf einen Schlag wieder in die 600er-Ränge zurückgerutscht, was meinen Zielen nicht gerade förderlich war. Zusätzlich fehlen mir fast eineinhalb Jahre in diesem Zeitraum aufgrund von Verletzungen, wo mir besonders das Handgelenk Probleme bereitete. Gerade deshalb war der Turniersieg in Marburg so wichtig für mich, wo ich als Ungesetzter sehr gute Spieler schlagen konnte. Es gibt natürlich Ausnahmespieler wie z.B. Tsitsipas oder Zverev, die mit ein oder zwei guten Turnieren den Future-Bereich schnell hinter sich lassen können, aber für die meisten Spieler ist es ein langer, steiniger Weg.
Man hört, dass der DTB die Förderung der jungen Profis beim Übergang vom Juniorenbereich zu den Erwachsenen optimieren möchte. Wie empfandest du diesen Bereich in deiner Karriere?
Ich habe mehrere Jahre in Hannover am DTB-Bundesstützpunkt trainiert, wo Peter Pfannkoch meine Juniorenzeit und auch das Jahr danach begleitet hat. Das war glaube ich das erste Mal, dass der DTB diesen Übergang mit Spielern wie Marvin Möller, Rudi Molleker und mir gemacht hat. Das ist dann etwas auseinander gegangen. Ich war zwischenzeitlich in Oberhaching am Bundesstützpunkt, wo mir vom DTB ein Trainer vorgeschlagen wurde. Nachdem ich zwei Turniere von ihm betreut wurde, zeigte sich leider für mich, dass es mit ihm auf sportlicher und menschlicher Ebene einfach nicht zusammenpasste. Seitdem trainiere ich wieder zuhause, wurde aber seitens des DTB weiterhin mit ein paar Wildcards für Turniere bedacht. Im Moment habe ich keinen direkten Kontakt zum DTB. Man muss ja auch sagen, dass ich mich die letzten Monate sportlich nicht ganz so für höhere Aufgaben empfohlen hatte. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn ich aufgrund meiner Leistungen wie in der vergangenen Woche vom DTB wieder mal Chancen für eine Teilnahme an höherkarätigen Turnieren bekommen würde. Mit ein bis zwei guten Turnieren in dieser Kategorie kann es schnell mal steil nach oben gehen, das ist meist eine Sache des Selbstvertrauens.
Wie ist deine aktuelle Trainings- und Coaching-Situation?
Ich trainiere momentan zuhause bei Mama und Papa in meinem Heimatklub, das hatte auch Corona-bedingte Gründe. Ich gestalte meinen Trainingsplan selber, lade mir Sparringspartner ein. Ab und zu trainiere ich auch am Bundesstützpunkt in Hannover mit den Jungs.
Wie schon angesprochen hattest du während deiner Karriere längerfristig mit Verletzungen zu kämpfen. Was hast du unternommen um diese Probleme in den Griff zu bekommen?
Ich hatte während meiner kompletten Juniorenzeit eigentlich gar keine Verletzungen. Das ist erst die letzten drei Jahre etwas wie verhext. Ich hatte an meinem rechten Fuß einige Bänderrisse und wie auch letzte Woche an meinem rechten Bein den ein oder anderen Faserriss. Dies waren meist kleinere Rückschläge, die relativ schnell wieder in den Griff zu bekommen waren. Das größere Problem war meine Handgelenksverletzung, die mich mehrere Monate rausgenommen hat. Ich bin in guter Behandlung bei verschiedenen Ärzten und arbeite verstärkt mit professionellen Physiotherapeuten zusammen.
Was hast du dir für persönliche Ziele noch in diesem Jahr in Sachen Ranking bzw. Entwicklung vorgenommen?
Natürlich möchte ich meine spielerische Entwicklung, die ich in den letzten Wochen genommen habe, weiter optimieren. Ich habe das Level um die 25.000er-Turniere jederzeit gewinnen zu können. In den nächsten Wochen werde ich neben den Turnieren auch in der 2. Bundesliga bei Essen spielen, um mir über die Matches weiteres Selbstvertrauen zu holen. Ich möchte schnellstmöglich die Top400 knacken, damit ich bei den Challenger-Turnieren in die Qualis reinkomme. Als nächstes größeres Ziel hat man natürlich ein bisschen die Qualifikation bei den Grand Slam-Turnieren auf dem Schirm. Ich werde auf jeden Fall versuchen noch sehr viele Turniere zu spielen bis weit in den November, Dezember rein, um in diesem Jahr noch möglichst viel herauszuholen.
Wo siehst du in deinem Spiel das größte Verbesserungspotenzial, um den nächsten Schritt mit einer dauerhaften Teilnahme auf der ATP-Challenger-Tour zu erreichen?
Ich muss versuchen meine Waffen im Spiel noch besser einzusetzen. Mit meinem Aufschlag und meiner Vorhand muss ich die Ballwechsel mehr dominieren. Bislang bin ich manchmal noch zu passiv und lasse mich zu weit nach hinten drängen. Bei meiner Größe ist der Körper nicht dafür gemacht um permanent nach rechts und links zu laufen. Mein Spiel muss definitiv aktiver werden um vermehrt auch Punkte am Netz abzuschließen.
Wie sieht deine Turnierplanung in den nächsten Wochen aus?
Im August werde ich hauptsächlich Turniere in Deutschland spielen, was aufgrund meiner bisherigen Ergebnisse auch absolut Sinn macht. Neben dem Turnier in Überlingen, das auch eines meiner Lieblingsturniere ist, habe ich noch das ITF-Turnier in Wetzlar und die beiden Challengers in Meerbusch und Lüdenscheid auf dem Zettel.
Vielen Dank Louis für deine Zeit und viel Erfolg für die nächsten Wochen.