Kai Wehnelt: „Topfavorit zu sein ist Ehre und Druck zugleich.“

Kai Wehnelt (photo: Jürgen Hasenkopf)

International Blog – Dietmar Kaspar

Beim Blick auf die Siegerlisten der Deutschen Meisterschaften stechen dem Tennis-Nostalgiker große Namen, sowohl der Tennishistorie als auch der Neuzeit, ins Auge. Die diesjährige Abwesenheit der Topspieler:innen, für die der Turniertermin zu einer optimalen Vorbereitung für den Saisonstart in Australien nicht gerade förderlich ist, bietet eine große Chance für den Nachwuchs und diejenigen Spieler, die im medialen Fokus nicht gerade in der ersten Reihe stehen.

Im Einzel der Herren trägt mit Kai Wehnelt ein Spieler als Topgesetzter die Favoritenbürde, der sich in diesem Jahr auf der Tour besonders im Doppel einen Namen gemacht hat. Dietmar Kaspar traf die Nr. 635 im Einzel am WTB-Stützpunkt in Biberach, wo diese Meisterschaften seit 2010 ausgetragen werden, zum Interview.

Tennis TourTalk: Du bist mit zwei Siegen ins Turnier gestartet. Wie zufrieden bist du mit deinen Auftaktmatches?

Kai Wehnelt: Ich bin relativ zufrieden. Ich habe probiert mit wenig Erwartung hier ranzugehen. Ich habe eine sehr lange Saison hinter mir und oberstes ist es, körperlich fit zu bleiben und so viel gute Matches wie möglich zu spielen.

Du bist hier bei den Deutschen Meisterschaften an Position 1 gesetzt. Ist das ein besonderes Gefühl?

Auf der einen Seite ist es natürlich schön zu sehen, andererseits gibt es einem auch etwas Druck. Manchmal spielt man dann gegen einen Gegner, der dann lockerer aufspielt und dann ist man der Gejagte.

Hast du schon mal einen Blick auf die Siegerliste dieses traditionsreichen Turniers geworfen?

Die ganze Siegerliste habe ich noch nicht durchgelesen. Aber viele ehemalige Sieger sind ja bekannt. Ich habe auch schon mehrere Jahre hier mitgespielt und gesehen, wer hier dann gewonnen hat. Spieler wie Oscar Otte, Daniel Masur und letztes Jahr Henri Squire haben hier triumphiert und auf der Tour den nächsten Schritt gemacht. Ich schaue hier aber von Match zu Match und denke nicht schon an einen Turniersieg.

Du bist hier zum Turnier aus Monastir angereist mit zwei Doppeltrophäen im Gepäck. Geben diese Erfolge auch Selbstvertrauen für das Einzel?

Aus meiner Sicht ist das Doppel schon eine andere Sportart. Ich spiele auch deutlich lieber Doppel, weil mir das mehr Spaß macht. Ich könnte mir langfristig auch vorstellen nur noch Doppel zu spielen, falls es im Einzel nicht voran geht. Allerdings geben einem die Doppel-Siege trotzdem etwas Selbstvertrauen für das Einzel.

Wie war deine Entwicklung als junger Spieler? Bist du in irgendwelchen Kadern gefördert worden?

Ich war jetzt nie in einem DTB-Kader. Früher war ich im Tennisverband Berlin/Brandenburg und da war es etwas anders mit der Förderung als ich klein war. Da haben wir zwei bis drei Mal in der Woche trainiert aber der Fokus lag damals auf der Schule und nicht auf Tennis. 2012 war ich dann für ein Jahr bei Alex Waske an der Akademie und habe mich dann für den weiteren Weg am US-College entschieden, wo ich dann insgesamt dreieinhalb Jahre war. Danach habe ich für ein Jahr aufgehört, weil ich dachte, dass ich das finanziell nicht schaffe. Im Jahr 2018 habe ich dann einen sehr netten Anruf vom hessischen Tennisverband bekommen, dass die mich in die Förderung mit aufnehmen was ich sehr zu schätzen weiß. Da habe ich dann beschlossen es als Profi auf der Tour zu versuchen. Seit Mai diesen Jahres ist diese Förderung ausgelaufen, bin deshalb ohne Trainer unterwegs und muss jetzt schauen, wie ich das perspektivisch alleine weiter machen kann.

Die Zeit am College ist aus deiner Sicht nicht so zufriedenstellend gelaufen. Was würdest du jungen Spielern empfehlen, wenn sie den Schritt zum Profitennis gehen möchten?

Viele junge Spieler träumen davon Tennisprofi zu werde und sehen junge Spieler wie Carlos Alcaraz der schon sehr früh bei den großen Turnieren aufschlägt und Nr. 1 der Welt ist. Ich möchte da keinem Spieler zu Nahe treten, dass er sowas nicht auch schaffen kann. Aber wenn ein Spieler mit 18, 19 noch kein hohes ATP-Ranking hat oder keine gute Förderung hat empfiehlt es sich schon ans College zu gehen, auch wenn es nur für ein Jahr ist.

Du hast dich von Saisonbeginn im Doppel von Position 400 nahe an die Top 200 gespielt. Wie zufrieden bist du mit deiner Saison?

Anfang des Jahres habe ich mir eine Platzierung in den Top 250 im Doppel zum Ziel gesetzt, obwohl ich mir sonst eigentlich keine Rankingziele vorgebe. Diese Platzierung ist notwendig um bei den Challenger-Turnieren ins Hauptfeld zu kommen. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass ich das geschafft habe. Mit dem Finaleinzug in Calgary war ich auch schon ganz nah am ersten Challenger-Titel dran, deshalb bin ich auch jeden Fall sehr zufrieden mit der Saison.

Wenn man sich die besten deutschen Spieler im Doppel-Ranking anschaut fällt es auf, dass fast alle davon am US-College waren. Siehst du da einen Zusammenhang?

Definitiv. Wenn man auf die nationalen Turniere in Deutschland schaut, wird da nur sehr selten Doppel gespielt was ich sehr schade finde. Hier bei den deutschen Meisterschaften zum Beispiel gab es früher auch einen Mixed-Bewerb, auch wenn man das mit einem reinen Doppelwettbewerb nicht ganz vergleichen kann. Auf dem College trainiert man fast jeden Tag auch Doppel und man hat viel mehr Matches als in den deutschen Ligen, so ca. das Vierfache. Es gibt auch Bewerbe, wo die Doppel vor den Einzeln gespielt werden und nicht wie in Deutschland leider oft üblich ohne zu spielen aufgeteilt werden.

Wie planst du in der nächsten Saison deine Turniere, um sowohl im Einzel als auch im Doppel deine Ziele erreichen zu können?

Es ist natürlich nicht einfach, wenn das Ranking im Einzel und Doppel so unterschiedlich ausfällt. Ich habe auch noch ein paar Future-Turniere gespielt um mein Einzel-Ranking etwas hochzupushen. Das Ziel für mich wäre, dass ich bei den meisten Challenger-Turnieren sowohl Einzel als auch Doppel spielen kann. Wenn ich von 10 Turnieren acht Einzel spielen kann und zweimal nicht wäre das für mich absolut in Ordnung. Ich sehe bei mir im Einzel schon noch Potenzial, dass ich es weiter nach oben schaffen könnte und der Gedanke diesbezüglich nicht alles versucht zu haben würde mich stören.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg.