International Blog – Florian Heer
Wir schreiben das Jahr 2019. Mit Hilfe einer Wild-Card konnte der damals 17-jährige Rudolf Molleker beim NeckarCup in Heilbronn sein erstes Turnier auf der ATP-Challenger-Tour feiern. Eine Traumwoche für den Teenager, der in den kommenden Monaten als eines der größten Talente im deutschen Herrentennis gehypt wurde. Doch Molleker hatte nach seinen ersten Erfolgen auf der Tour den Faden verloren. Mentale Probleme warfen den inzwischen 21-jährigen Oranienburger aus der Spur und zogen seine Lust am Tennisspielen in Mitleidenschaft.
Auch diverse Wechsel im Coaching-Bereich brachten nicht das gewünschte Ergebnis. Michael Kohlmann, Jan de Witt oder auch das Staff der Mouratoglou Tennis Academy in Frankreich nahmen den Blondschopf, der als Dreijähriger mit seinen Eltern aus der Ukraine nach Brandenburg gekommen war, bereits unter ihre Fittiche.
Jüngst kamen auch erste Erfahrungen mit hartnäckigeren Verletzungen hinzu. Doch Molleker ist bereit zurückzukehren und nach vorne zu schauen. Bei einem zweiwöchigen Sandplatz-Swing in Spanien, versucht die Nummer 445 der ATP-Weltrangliste wieder in die Spur zu kommen. Erste kleine Erfolge konnte Molleker dabei verzeichnen. Beim ATP-Challenger-Turnier in Murcia hat er sich erfolgreich durch die Qualifikation ins Hauptfeld gekämpft. Bei den darauffolgenden Open Comunidad de Madrid konnte er zumindest in der ersten Runde der Quali mit einem Sieg über Kyrian Jacquet aus Frankreich überzeugen. Wir haben ihn danach zum Interview getroffen.
Tennis TourTalk: Rudolf, es ist ruhig geworden um Deine Person. Viele Tennisfans in Deutschland haben sich gefragt, was los ist. Kannst du uns ein Update über die letzten Monate bzw. Jahre geben?
Molleker: Nach dem guten Jahr 2019 hatte ich mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Dazu kamen mentale Probleme und habe ein wenig die Richtung verloren. Ich wusste nicht wirklich, was ich machen sollte und was ich machen möchte. Ehrlich gesagt, habe ich auch den Spaß am Tennis verloren. Ich hatte ein paar harte Monate hinter mir. Ich war dann viel zu Hause, was mir auch gutgetan hat. Letztes Jahr lief es auch nicht sonderlich rund, aber ich hatte wieder Lust zu spielen und Spaß am Reisen. Ich habe dabei festgestellt, dass es mein Leben ist, auch wenn es nicht immer so gut läuft. Jetzt bin ich hier und versuche mich wieder nach oben zu kämpfen. Das ist sicher ein harter Weg, aber ich genieße wieder jedes Turnier, wo ich mitspielen kann.
Am Rande konnte man vernehmen, dass Du auch mit Beschimpfungen im Social-Media-Bereich konfrontiert waren. Hat dies auch eine Rolle gespielt?
Auf jeden Fall. 2019 habe ich mich in Australien und Paris für zwei Grand-Slam-Turniere qualifiziert. Es folgte die inzwischen bekannte Geschichte, wo ich vergaß für Wimbledon zu melden, was mein eigener Fehler war. Das war ein Fauxpas und sehr blöd während eines guten Jahres. Leider ist es aber passiert. In Wimbledon nicht dabei sein zu können hat mich auch ziemlich runtergezogen. Dazu kam der ganze Trubel von außen, wie sowas hatte geschehen können. Es war nicht einfach damit umzugehen. Ich war 19 Jahre alt. Da kommt einiges an Shitstorm auf einen zu. Das war eine schwierige Baustelle in meinem Leben. Klar, sollte so etwas nicht passieren, aber am Ende sind wir alle nur Menschen.
Bewertest du das heute anders und würdest du es anders angehen?
Ja, bestimmt. Nur wusste ich damals nicht, wie ich damit umgehen sollte. Es war für mich am schlimmsten nicht mitspielen zu können. Es war eine lächerliche Story und wohl eine coole Schlagzeile, aber am meisten hat es mich selbst getroffen. Ich konnte nicht beim Grand-Slam-Turnier teilnehmen. Warum man mich da noch weiter herunterzuziehen musste, habe ich nicht ganz verstanden. Aber es ist inzwischen nun auch drei Jahre her.
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Du hast in der Zwischenzeit mit einigen Coaches zusammengearbeitet. Wie ist der aktuelle Stand?
Ich habe einiges probiert. Ich bin nun wieder zu Hause in Berlin und habe mein allererstes Team mit Papa und Benjamin Thiele um mich herum. Hier fühle ich mich am wohlsten. Berlin ist meine Heimatstadt. Freunde und Familie sind vor Ort. Gerade für uns Tennisspieler kann das Leben auf der Tour mit all den Reisen schon recht hart sein. Wenn man trainingstechnisch dann auch noch so aufgestellt ist, dass man sich nicht wirklich wohl fühlt, dann wird es schwierig.
Klingt nach einer Art „Hafen“, in den man immer zurückkehren kann…
Ja, genau. Man trainiert, aber man weiß, dass man trotzdem noch ein normaler Mensch ist. Man kann abends Essen gehen und seine Freunde sehen. Oder auch mal zu Hause eine Runde Playstation spielen. Dies gibt einem das Gefühl, dass es im Leben noch mehr gibt außer Tennis.
Wirst du auch auf der Tour begleitet?
Hier bin ich mit dem Ukrainer Oleksii Krutykh unterwegs. Da zurzeit ja leider Krieg in der Ukraine herrscht, haben wir für ihn eine coole Lösung in Berlin gefunden. Großen Dank an dieser Stelle an den LTTC Rot-Weiß Berlin, der ihm eine Wohnung in der Stadt zur Verfügung gestellt hat, wo er mit seinem Papa wohnen kann. Ich habe somit auch gleich einen tollen Trainingspartner vor Ort. Dazu spielen wir gerade dieselben Turniere und können gemeinsam unterwegs sein. Das macht Spaß.
Die Vorfälle in der Ukraine beschäftigen dich bestimmt auch. Hast du noch Verwandtschaft in deinem Geburtsland?
Meine Oma ist mit meiner kleinen Cousine inzwischen nach Deutschland gekommen. Meine Tante und ihr Mann sind noch dortgeblieben. Sie kommen aus Dnipropetrowsk, wo es Gott sein Dank noch eher ruhig geblieben ist. Es geht glücklicherweise allen gut, aber es ist natürlich ein schwieriges Thema.
Die Saison 2022 ist für dich noch relativ jung. Du hast lediglich bei einem ITF-World-Tennis-Tour-Turnier in Antalya gespielt, sind dann zum Challenger nach Murcia gereist und sind nun hier in Madrid. Was war vorher passiert?
Im November letzten Jahrs habe ich mir den fünften Mittelhandknochen meiner Schlaghand gebrochen. Ich musste mich zwei Operationen unterziehen und hatte einen Draht in der Hand, der am 22. Dezember entnommen wurde. Danach hat es jedoch einige Zeit gebraucht, bis ich wieder spielen konnte. Dies war meine erste OP und somit auch Neuland, wie man damit umgeht. Die Futures in Antalya waren hart und mit Anlaufschwierigkeiten verbunden. Ein, zwei Matches konnte ich zumindest gewinnen. Mit jedem Match fühle ich mich aber besser und ich spüre, dass es in die richtige Richtung geht.
Bei den Murcia Open 2019 hast du vor vollem Haus gegen den Lokalmatadoren Carlos Alcaraz ein fantastisches Match abgeliefert und auch gewonnen. Verleiht es einem noch eine extra Portion Motivation, wenn man an einen solchen Ort zurückkehrt?
Es ist immer schön, wenn man mit einem Turnier gute Erinnerungen verbinden kann. Ähnlich geht es mir mit dem Rothenbaum in Hamburg, wohin ich auch immer wieder gern zurückkehre. Es tat gut in Murcia letzte Woche zwei Matches gewonnen zu haben und die Qualifikation zu bestehen. Das hat mir Selbstvertrauen gegeben.
Vielen Dank für das Interview und für die zukünftigen Aufgaben alles Gute.